RECOVER verbindet innovative Versorgungskomponenten in einem Modell. Jede Komponente wird in einem Manual auf Basis bestehender Evidenz zusammengefasst.
Anhand dieser Manuale werden später die Behandlungspfade des RECOVER-Modells entwickelt.
Die RECOVER-Manuale
Das RECOVER-Modell wird durch 12 Manuale strukturiert und qualitätsgesichert.
- Versorgungszugang
- Managed Care
- Diagnostik und psychotherapeutische Sprechstunde
- Crisis Resolution Team (CRT; Stationsäquivalente Behandlung)
- Integration hausärztliche Versorgung
- Psychotherapie
- Case Management
- Assertive Community Treatment (ACT)
- E-Mental-Health
- Supported Employment
- Kultur- und sprachsensible Versorgung
- Peer Genesungsbegleiter
Beispiel eines Behandlungspfades
Wie die Behandlungspfade im einzelnen in der Praxis zum Einsatz kommen, erläutert folgendes Beispiel:
Der 18-jährige Herr K. hat eine akute psychische Erkrankung und wird sofort von seinem Hausarzt an das Diagnostik- und Kriseninterventionszentrum überwiesen. Hier erhält er eine standardisierte Diagnostik, damit von Anfang an eine möglichst genaue Problemklärung erfolgt. Sie umfasst eine psychologische, soziale und körperliche Untersuchung. Dabei arbeiten interdisziplinäre Teams mit Mitarbeitern aus der Erwachsenenpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik, Allgemeinmedizin, Forensik sowie geschulte Patienten und Angehörige eng zusammen.
Auf Basis dieser Diagnostik erstellt der Behandler in Zusammenarbeit mit Herrn K. einen individuellen Behandlungsplan und organisiert die notwendigen Therapiebausteine für ihn. Darüber hinaus kann Herr K. zu einer psychotherapeutischen Sprechstunde gehen. Sie hat die Funktion zu klären, wie notwendig eine Psychotherapie ist, und wird diese dann entsprechend für ihn organisieren.
Die interdisziplinären Teams in unserem Diagnostikzentrun übernehmen auch die Aufgabe eines Kriseninterventionsteams im Sinne der stationsäquivalenten Behandlung. Sie bieten im Falle einer Krise rund um die Uhr Hilfe. Erreichbar ist sie sowohl für Patienten und Angehörige als auch für Behandler aus dem Versorgungssektor über eine Hotline. Darüber ist immer auch Soforthilfe möglich.
Ein weiterer wesentlicher Baustein des RECOVER-Modells ist die Integration der hausärztlichen Versorgung. Dieser Baustein ist so wichtig, weil zum einen Menschen mit psychischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für körperliche Krankheiten haben und zum anderen Menschen mit körperlichen Erkrankungen psychisch sehr darunter leiden können.
Neueste Studien zeigen, dass die Integration der allgemeinmedizinischen Behandlung in die psychiatrische Versorgung sehr wirksam für den Genesungsprozess ist. Entsprechend wird Herr K. ebenfalls durch einen Allgemeinmediziner körperlich untersucht und gemeinsam mit dem Hausarzt von Herrn K. und gegebenenfalls einem Spezialisten behandelt. Da RECOVER an ein Krankenhaus angebunden ist, kann Herr K. problemlos alle Institutionen der Klinik nutzen.
RECOVER hat das Ziel, seine Behandlung stetig zu verbessern. Herr K. erhält also eine Therapie, die nach dem neuesten Stand der Forschung die beste Wirksamkeit zeigt. Damit sie koordiniert abläuft, werden innerhalb des RECOVER Therapiemodells stets evidenzbasierte Behandlungspfade erstellt. So werden Inhalt und Abfolge einer Behandlung genau definiert. Sie orientieren sich am Schweregrad der Erkrankung: An welcher Art der Krankheit leidet Herr K. (Diagnose)? Welchen Schweregrad haben seine Symptome? Wie stark ist Herr K. im sozialen Funktionieren (z.B. in Schule, Ausbildung und Beruf) eingeschränkt?
Nach genauer Diagnostik wird Herr K. in eine von vier Schweregradstufen mit seinen spezifischen Therapiebausteinen eingeteilt:
- Leichter Schweregrad: Beratung, aktives Abwarten, Selbsthilfe, e-Therapie
- Mittlerer Schweregrad: koordinierte Regelversorgung
- Hoher Schweregrad: koordinierte Regelversorgung plus Case Management
- Schwere psychische Erkrankung: integrierte aufsuchende Komplexbehandlung
Das Grundprinzip dieses vielfach erprobten Vorgehens: Intensität, Umfang und Dauer von Therapie steigen mit dem Schweregrad der Erkrankung. Neu in RECOVER ist allerdings, dass auch in den Schweregradstufen 3 und 4 integrierte Versorgungsansätze (das Hamburger Modell für Psychosen oder Boderline-Störungen) mit aufgenommen wurden. Für Herrn K. bedeutet das eine hohe Chance auf langfristige Gesundung.
Herr K. wurde in Stufe 3 eingestuft. Bisher haben schwer oder sehr schwer Erkrankte häufig keine ambulante Psychotherapie erhalten, obwohl gerade sie diese unbedingt benötigen. RECOVER hat daher die Integration und Flexibilisierung der ambulanten Psychotherapie zu einem wesentlichen Baustein seines Therapiemodells gemacht. Das erreichen wir nur durch eine enge Zusammenarbeit mit niedergelassenen Therapeuten sowie die präzise Vordiagnostik im Diagnostikzentrum. Herr K. kann innerhalb von 14 Tagen mit der Psychotherapie beginnen.
Später erhalten Herr K., seine Familie und Freunde sowie Behandler Unterstützung durch e-RECOVER. Das ist eine digitale E-Mental-Health-Plattform, die sich noch in der Entwicklung befindet. Hier werden allen Betroffenen wichtige Online-Hilfen gebündelt zur Verfügung gestellt. Ob Informationen über die Erkrankung, Online-Beratung, Diagnostik oder verschiedene erprobte Online-Tools, mit denen sich Betroffene selbst therapieren können – bei e-RECOVER bleibt keine Frage offen.
Mittlerweile geht es Herrn K. etwas besser. Es wird Zeit, den Weg zurück in die Normalität zu finden. Menschen mit psychischen Erkrankungen haben oft Probleme in Ausbildung, Studium oder Beruf. Hier greift bei RECOVER das Modell des Supported Employment. Dabei unterstützt ein Team von Spezialisten Herrn K. bei allen notwendigen Schritten.
Dass der aus Albanien stammende Herr K. Probleme mit der deutschen Sprache hat, tut seiner Behandlung dank RECOVER keinen Abbruch. Denn zum RECOVER-Modell gehört auch eine kultur- und sprachsensible Versorgung von Migranten und Flüchtlingen. Immerhin haben mittlerweile etwa 20 bis 30 % der Patienten in Kliniken einen Migrationshintergrund.
Doch auch die Familie von Herrn K. kann bei seiner Gesundung helfen. RECOVER setzt darauf, dass sowohl die Betroffenen als auch ihre Angehörigen sich an der Organisation, Behandlung und Forschung beteiligen. Wir* bilden Interessierte zu Genesungsbegleitern aus, die unter anderem in den Diagnostikzentren oder Kriseninterventionsteams, aber auch übergeordnet im Lenkungsausschuss von RECOVER und im Beirat der Managed Care Organisation zum Einsatz kommen.
*Ex-In Hamburg, Bildungsakademie UKE