Psychische Erkrankungen betreffen die gesamte Bevölkerung
20% der Bevölkerung ist jedes Jahr von einer relevanten psychischen Erkrankung betroffen
Allein innerhalb eines Jahres sind etwa 20 % der Bevölkerung von mindestens einer relevanten psychischen Erkrankung betroffen. In Deutschland sind das etwa 15 Millionen Menschen.
Man schätzt, dass von den 20% etwa 9 bis 12 % der Betroffenen leicht, 4 bis 6 % mittelgradig und 2 bis 3 % schwer erkrankt sind. Etwa die Hälfte der schwer Erkrankten sind so krank, dass sie langfristig Schwierigkeiten in ihrem sozialen und beruflichen Leben haben.
Psychische Erkrankungen verursachen hohe Kosten für Gesellschaft
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) veröffentlichte 2014 einen Report „Making mental health count – the Social and Economic Costs of Neglecting Mental Health Care“. Darin fasst sie die Folgen und Kosten psychischer Erkrankungen, den Stand der Entwicklung der Versorgungssysteme in den OECD-Ländern sowie wirksame Entwicklungsmöglichkeiten zusammen.
Laut dem OECD-Report erhalten lediglich 40 % der Betroffenen überhaupt eine Behandlung. Hinzu kommt das Problem, dass psychische Erkrankungen vermehrt bei ärmeren Bevölkerungsschichten vorkommen. Die dadurch verursachten direkten und indirekten Kosten belaufen sich auf etwa 3 bis 4 % des Bruttoinlandsprodukts. Das waren 2014 in Deutschland etwa 88 bis 117 Milliarden Euro – Tendenz steigend.
Behandlungsmodelle für Menschen mit schweren Erkrankungen nicht umgesetzt
Der OECD-Report deckt auf, dass in Deutschland evidenzbasierte ambulante Versorgungsmodelle für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen nicht bzw. kaum umgesetzt werden. Hierzu gehören
- Early Intervention Services zur Früherkennung von schweren psychischen Erkrankungen im Alter von 15-25 Jahre.
- Crisis Resolution Teams zur stationsersetzenden diagnoseübergreifenden ambulanten Krisenintervention und
- Assertive Community Treatment für eine längerfristige Komplexbehandlung.
In anderen Länder sind derartige Behandlungsmodelle längst Teil des Versorgungssystems. Die Konsequenzen sind schwerwiegend: Menschen mit schweren psychischen Störungen machen die Mehrzahl aller Zwangseinweisungen und psychiatrischen Notfälle aus, haben eine hohe Morbidität, verursachen immense Kosten und versterben durchschnittlich etwa 13 bis 30 Jahre früher als die Allgemeinbevölkerung.
Lange Wartezeiten und Fehlverteilungen in der ambulanten Psychotherapie
Die Wartezeiten in der ambulanten Psychotherapie haben sich in den letzten Jahren verändert bzw. reduziert. Weiterhin liegen sie bei durchschnittlich etwa 4 Monaten bis zu einem Erstgespräch.
Zudem besteht eine ausgeprägte Fehlverteilung zugunsten von Menschen mit leichteren psychischen Erkrankungen:
- 90-95% haben sog. häufige psychische Erkrankungen (engl. Common Mental Disorder, CMD; v.a. unipolare Depression, Angststörungen, Anpassungs-störungen, Zwangsstörungen, somatoforme Störung). Sie Erkrankungen sind vergleichsweise häufig, aber selten schwer verlaufend.
- 5-10% haben sog. schwere psychische Erkrankungen (engl. Severe Mental Illness, SMI; v.a. Psychosen, Bipolare Störungen, Emotional-instabile Persönlichkeits-störungen). Diese Erkrankungen sind vergleichsweise selten, aber häufig schwer verlaufend.